von Dr. Maximilian Kulenkampff
Ausgabe Januar 2024
„Newsletter-Update“ – worüber haben wir schon berichtet?
Neues zur Betriebsratsvergütung durch erstinstanzliche Entscheidungen
In unserem Newsletter Juli 2023 hatten wir über die Entscheidung des BGH zur Strafbarkeit wegen unrechtmäßiger Betriebsratsvergütung berichtet (BGH v. 10.1.2023 – 6 StR 133/22). Infolge der Entscheidung wurde vielen VW-Betriebsräten die Vergütung gekürzt. Nun haben nach Medienberichten in 17 von 18 Fällen die Arbeitsgerichte zugunsten der Betriebsräte entschieden und die vorgenommenen Gehaltskürzungen kassiert. In einem Fall (ArbG Hannover v. 17.10.2023 – 12 Ca 272/23) wurde sogar eine höhere Vergütung zugesagt. Der Auffassung der Arbeitgeber, dass sich eine Betriebsratsvergütung nach der BGH-Entscheidung nicht mehr nach einer hypothetischen Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitgliedes richten könne (§ 78 S. 2 BetrVG), folgten die Gerichte nicht (ArbG Braunschweig v. 5.7.2023 – 3 Ca 138/23). Ähnlich hatten wir uns bereits in unserem damaligen Newsletter-Beitrag geäußert. Überraschend ist insoweit nur, dass es den Betriebsräten gelungen ist, die vom BAG aufgestellten hohen Anforderungen der hypothetischen Ersatzkarriere überwiegend zu erfüllen. Die (eingelegten) Berufungen bleiben abzuwarten.
von Dr. Nina Tholuck
Ausgabe Oktober 2023
Kein Verwertungsverbot bei offener Videoüberwachung trotz Datenschutzverstößen
Datenschutzverstöße können erhebliche negative Folgen für Arbeitgeber haben. Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 29.06.2023, 2 AZR 296/22) droht aber jedenfalls bei der prozessualen Verwertung von Beweisen, die bei einer offenen Videoüberwachung unter Verstoß gegen Datenschutznormen erlangt sind, kein Ungemach.
In der Entscheidung des BAG warf die beklagte Arbeitgeberin dem Kläger – einem Gießereimitarbeiter – vor, eine Arbeitsschicht nicht geleistet, diese aber gleichwohl vergütet bekommen zu haben. Die Beklagte sprach daraufhin eine außerordentliche Kündigung aus. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in dem sich anschließenden Kündigungsschutzprozess hatte der Kläger an dem betreffenden Tag zwar das Werksgelände zunächst betreten. Die Auswertung der Aufzeichnungen der durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera am Tor des Werksgeländes ergab nach dem Vorbringen der Beklagten aber, dass der Kläger dieses vor Schichtbeginn wieder verlassen hatte.
von Dr. Richard Petras
Ausgabe Oktober 2023
Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nach Übernahme eines Leiharbeitnehmers
Die „sachgrundlose“ Befristung von Arbeitsverhältnissen erfüllt ein wirtschaftliches Bedürfnis und ist entsprechend weit verbreitet. Sie erlaubt es Arbeitgebern, bis zur Dauer von maximal zwei Jahren befristete Arbeitsverträge auch ohne Vorliegen eines Befristungsgrundes (z.B. vorübergehender Bedarf, Vertretungsbedarf etc.) abzuschließen. Voraussetzung der sachgrundlosen Befristung ist aber, dass nicht bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat. Dieses „Vorbeschäftigungsverbot“ wird äußerst weit ausgelegt. Hierunter fällt grundsätzlich jede Vorbeschäftigung, die nicht sehr lange zurück liegt, ganz anders geartet war oder nur sehr kurz andauerte. An diese Voraussetzungen werden in der Rechtsprechung regelmäßig derart strenge Maßstäbe angelegt, dass diese Ausnahmen kaum jemals vorliegen. So soll eine Vorbeschäftigung vor 22 Jahren zwar in diesem Sinne „sehr lange“ zurückliegen, eine Vorbeschäftigung vor 15 Jahren (!) jedoch ohne besondere Umstände noch nicht. Auch die anderen Fallkonstellationen werden entsprechend streng beurteilt, wobei auch eine Kombination der Ausnahmetatbestände relevant sein kann. So werden an die Länge des zurückliegenden Zeitraums geringere Anforderungen gestellt, wenn das Arbeitsverhältnis dafür nicht lange andauerte oder – wie im Falle von Ferien- oder Studentenjobs – nur untergeordnete Bedeutung hatte. Das Kriterium der Vorbeschäftigung bedarf also bei entsprechendem Anlass stets einer sorgfältigen Prüfung.
von Jana Reimers
Ausgabe Oktober 2023
Privat ist nicht gleich privat – Äußerungen in einer (privaten) Chatgruppe als Kündigungsgrund
Obwohl bislang die Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht sind, hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Kündigungen wegen Äußerungen in einer privaten Chatgruppe aus August 2023 (Urt. v. 24.08.2023 – 2 AZR 17/23) bereits für viel Aufsehen gesorgt. Die Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers, der sich gegen eine Kündigung wegen beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Äußerungen über Vorgesetzte und andere Kollegen in einer privaten Chatgruppe wehrt, noch stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen nun jedoch aufgehoben.
von Catharina Scharrer
Ausgabe Oktober 2023
Kinderbetreuung – (k)ein Argument für begehrte Arbeitsschichten
Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz ist zu Recht ein Thema, welches aus der Gesellschaft und den Personalabteilungen nicht wegzudenken ist. Gleichwohl bietet es auch immer wieder Sprengstoff, wenn unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. So haben Mitarbeiter mit kleinen Kindern ein Interesse an einer Arbeitszeitgestaltung, die die Kinderbetreuung ermöglicht. Arbeitgeber müssen jedoch einerseits betriebliche Notwendigkeiten, andererseits auch ihre anderen Mitarbeiter berücksichtigen, die ebenfalls Interesse an einer fairen Arbeitszeitgestaltung haben. Gerade in Schichtarbeitssystemen kann dies zu erheblichen Spannungen führen. Eine derartige Konstellation hatte das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Urteil vom 13. Juli 2023 (Az.: 5 Sa 139/22) zu entscheiden – und verneinte letztlich den Antrag einer Klägerin auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit, die eine Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie von Samstagsarbeit zur Kinderbetreuung vorsah.