„Newsletter-Update“ – worüber haben wir schon berichtet?
Dr. Matthias Münder
Warten auf den EuGH – Klarheit zu Auswirkungen von Fehlern in der Massenentlassungsanzeige erst in ein bis zwei Jahren
In unserem letzten Newsletter berichteten wir daüber, dass sich eine Kehrtwende des BAG im Massenentlassungsrecht andeutet: Der Sechste Senat des BAG hatte angekündigt, seine bisherige Rechtsprechung, wonach Fehler im Massenentlassungsverfahren zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen führen, aufgeben zu wollen. Hierzu hatte er den Zweiten BAG-Senat um Stellungnahme gebeten. Dieser hat nun – anders als erhofft – nicht die erste Ausfahrt genommen und der Rechtsprechungsänderung zugestimmt, sondern diese Frage dem EuGH zur Klärung vogelegt. Der EuGH ist jetzt dazu berufen, für mehr Rechtsklarheit im europäischen Massenentlassungsrecht zu sorgen, bevor das BAG eine mögliche (teilweise) Kehrtwende vollziehen kann.
Aus den vom Zweiten Senat vorgelegten Fragen geht hervor, dass dieser eine Kündigung weiterhin als unwirksam ansehen möchte, wenn der Arbeitgeber gar keine Massenentlassung bei der Arbeitsagentur angezeigt hat. Eine nach lediglich fehlerhafter Massenentlassungsanzeige ausgesprochene Kündigung soll dagegen wirksam sein können, wenn die Agentur für Arbeit die Fehler nicht moniert. Der einzelne Arbeitnehmer soll diese Entscheidung der Arbeitsagentur nicht angreifen können. Selbst bei einer Beanstandung durch die Agentur für Arbeit sollen die Kündigungen in Zukunft nicht endgültig unwirksam sein, sondern diese sollen – anders als derzeit – durch Nachbesserung der Massenentlassungsanzeige „gerettet“ werden können.
Nun bleibt abzuwarten, ob der EuGH dies genauso sieht. Vorerst muss leider weiterhin dazu geraten werden, das Massenentlassungsverfahren mit aller Präzision durchzuführen, um die Wirksamkeit von Kündigungen im Rahmen einer Restrukturierung nicht zu gefährden. Wohin die Reise im Recht der Massenentlassung geht, werden wir voraussichtlich erst in ein bis zwei Jahren wissen, wenn die Richterinnen und Richter in Luxemburg sowie Erfurt geurteilt haben.
Auf dem Weg zum digitalen Arbeitsvertrag – noch nicht am Ziel
Die Bundesregierung hat sich angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation das Thema „Bürokratieentlastung“ auf die Fahnen geschrieben. Über Eckpunkte zu einem Bürokratieentlastungsgesetz hatten wir in unserem Newsletter aus Oktober 2023 berichtet. Damals fiel das Fazit zurückhaltend aus: Das geplante Gesetzgebungspaket sei im Arbeitsrecht kein großer Wurf, die Schritte in Richtung Digitalisierung seien zu zurückhaltend.
Nun ist bekannt geworden, dass die Bundesregierung doch mehr Digitalisierung wagen möchte. Künftig sollen die wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht mehr nur in Schrift-, sondern auch in Textform, also z.B. per E-Mail, nachgewiesen werden können, „sofern das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält“. Es ist daher vorstellbar, Arbeitsverträge künftig digital zu unterschreiben und als PDF auszutauschen, wenn der Arbeitgeber eine Sende- oder Lesebestätigung erhält. In Branchen, die der Gesetzgeber als anfällig für Schwarzarbeit ansieht, soll die Schriftform dagegen weiter Bestand haben.
Auch im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung soll es Erleichterungen geben. Der Überlassungsvertrag zwischen einem Zeitarbeitsunternehmen und dem entleihenden Unternehmen soll ebenfalls in Textform abgeschlossen werden können.
Leider beschreitet die Bundesregierung aber den Weg der Digitalisierung von Arbeitsverträgen – bislang? – nicht konsequent zu Ende. Denn das Schriftformerfordernis soll bei Befristungen offenbar weiter Bestand haben. Die Vereinbarung über die Befristung eines Arbeitsvertrags muss hiernach weiterhin in Schriftform erfolgen, d.h. durch die Originalunterschrift beider Parteien auf ausgedrucktem Papier besiegelt werden. Wenn ein Arbeitsverhältnis für eine gewisse Dauer befristet werden oder – was beinahe alle Arbeitsverhältnisse betreffen dürfte – mit Erreichen des Regelaltersgrenze enden soll, werden Arbeitgeber daher auch künftig an Originalunterschriften festhalten müssen.
Es bleibt zu hoffen, dass im parlamentarischen Verfahren auch die Schriftform bei Befristungen noch in den Fokus gerät. Denn noch ist das Bürokratieentlastungsgesetz nicht verabschiedet.