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Privat ist nicht gleich privat – Äußerungen in einer (privaten) Chatgruppe als Kündigungsgrund


Ausgabe Oktober 2023
Geschrieben von

Jana Reimers

Obwohl bislang die Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht sind, hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Kündigungen wegen Äußerungen in einer privaten Chatgruppe aus August 2023 (Urt. v. 24.08.2023 – 2 AZR 17/23) bereits für viel Aufsehen gesorgt. Die Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers, der sich gegen eine Kündigung wegen beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Äußerungen über Vorgesetzte und andere Kollegen in einer privaten Chatgruppe wehrt, noch stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen nun jedoch aufgehoben.

Das Besondere an diesem Fall ist, dass der Arbeitnehmer die Äußerungen nicht etwa bei der Arbeit getätigt hat, sondern in einer privaten Chatgruppe eines Messenger-Dienstes. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass (vertrauliche) Mitteilungen und Gespräche zwischen Mitarbeitern untereinander – zumal in einem privaten Chat – nicht zu einer Kündigung herangezogen werden können, da Mitarbeiter auf die Diskretion ihrer Kollegen vertrauen dürfen. Neben dem Kläger waren noch fünf andere Arbeitskollegen sowie seit 2020 ein ehemaliger Kollege Mitglied der genannten Chatgruppe. Untereinander waren die Mitglieder der Chatgruppe eng befreundet bzw. teilweise sogar verwandt. Die Arbeitgeberin hatte nur zufällig von den Äußerungen in der Chatgruppe erfahren und daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger, sowie zwei weiteren Mitgliedern der Chatgruppe außerordentlich fristlos gekündigt. Der Kläger sowie die weiteren gekündigten Mitglieder der Chatgruppe hatten Kündigungsschutzklage erhoben und sich auf die Vertraulichkeit der Kommunikation berufen. Obwohl die Vorinstanzen grundsätzlich nicht in Abrede stellten, dass der (Beleidigungen übelster Art enthaltende) Inhalt der Äußerungen im Chat ohne Weiteres einen wichtigen Kündigungsgrund dargestellt hätte, folgten sie dieser Argumentation. Das BAG sieht dies allerdings deutlich differenzierter. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Seien Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt habe erwarten können, deren Inhalt werde nicht an Dritte weitergegeben.

Zusammenfassend ist die wesentliche Erkenntnis aus der Entscheidung, dass auch private Äußerungen in Chatgruppen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Mitglieder einer Chatgruppe können bei beleidigenden, sexistischen, menschenverachtenden und zu Gewalt aufstachelnden Äußerungen über Arbeitskollegen nicht in jedem Fall davon ausgehen, dass die Äußerungen vertraulich bleiben.