Skip to main content

„Newsletter-Update“ – worüber haben wir schon berichtet?


Ausgabe Juli 2023
Geschrieben von

Dr. Cornelius Lindemann

Frühzeitige Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs

In unseren Newsletter-Ausgaben aus Oktober 2022 und Januar 2023 berichteten wir über die Entscheidungen des EuGH aus September 2022 und des BAG aus Dezember 2022 zu Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen und zur Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch die Arbeitgeber. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 107/20) erneut zum Urlaubsrecht und den Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitgeber entschieden und eine wesentliche Frage beantwortet, die nach den vorherigen Entscheidungen bislang unbeantwortet geblieben war: Wie können Arbeitgeber die Mitwirkungsobliegenheiten erfüllen (und damit einen Verfall des Urlaubsanspruchs 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bei Langzeiterkrankungen sicherstellen), wenn ein Arbeitnehmer so früh im Urlaubsjahr erkrankt, dass weder ein rechtzeitiger Hinweis noch eine tatsächliche Urlaubsgewährung möglich ist?

Das Bundesarbeitsgericht hat hier erfreulicherweise eine pragmatische Lösung gefunden: Ausnahmsweise kann die Frist bei Langzeiterkrankungen unabhängig von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten beginnen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seinen Obliegenheiten nachzukommen. Dem Arbeitgeber muss es tatsächlich möglich sein, den Arbeitnehmer vor dessen Erkrankung in die Lage zu versetzen, Urlaub zu nehmen. Dies ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls in den ersten fünf Arbeitstagen eines Jahres nicht zu fordern.

Das Gericht hat darüber hinaus auch klargestellt, dass Urlaub insgesamt nur in dem Umfang erhalten bleiben kann, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten auch hätte in Anspruch genommen werden können. Ansonsten kann auch eine Nichterfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten nicht ursächlich dafür sein, dass Urlaub nicht gewährt und genommen wurde.

Aus der Entscheidung folgt, dass es zwar nach wie vor dringend anzuraten ist, möglichst frühzeitig im Jahr – also etwa in der ersten Arbeitswoche – den Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen und die Mitarbeiter über bestehende Urlaubsansprüche zu informieren und eine tatsächliche Inanspruchnahme zu ermöglichen. Aber das Risiko liegt erst dann auf Seiten der Arbeitgeber, wenn eine Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten auch möglich ist und auch nur in dem Umfang, in dem auch tatsächlich Urlaub genommen werden kann.

Gewährleistung eines ausreichenden Gesamtschutzes für Arbeitnehmer in der Zeitarbeit durch Tarifverträge

Im Mai hat zudem das BAG das seit der Entscheidung des EuGH vom 15. Dezember 2022 erwartete Urteil zur Zeitarbeit gefällt (Urt. v. 31.5.2023 – 5 AZR 143/19). Zur Erinnerung: Der EuGH hatte in der Entscheidung – wir hatten in unserer Ausgabe aus April 2022 darüber berichtet – ausgeführt, dass für jede Abweichung durch einen Tarifvertrag vom Gleichbehandlungsgrundsatz Ausgleichsvorteile zu gewähren sind, um der Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer nachzukommen. Nur wenn solche Ausgleichsvorteile gewährt würden, könne durch einen Tarifvertrag vom Equal Pay Grundsatz abgewichen werden.

Nach der jüngsten Entscheidung des BAG erwachsen hieraus aber erfreulicherweise keine Konsequenzen für deutsche Arbeitgeber: Der vom EuGH geforderte Gesamtschutz werde im deutschen Recht nämlich – so das BAG – im Wesentlichen schon allein durch die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen gewährleistet. Entscheidend für eine Gewährleistung eines ausreichenden Gesamtschutzes, der dem Unionsrecht genügt, sei nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts neben den gesetzlichen Regelungen zum Annahmeverzug (§ 11 Abs. 4 AÜG), dem Mindestlohn (und ggf. anderen gesetzlichen Lohnuntergrenzen) und der zeitlichen Begrenzung der geringeren Entlohnung auf neun Monate (§ 8 Abs. 4 S. 1 AÜG) insbesondere die tarifvertragliche Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Soweit also die geltenden Tarifverträge hiervon nicht abweichen und insbesondere eine Fortzahlung der tarifvertraglichen Vergütung in verleihfreien Zeiten vorsehen, dürfte das Risiko eines Equal-Pay-Anspruchs für tarifbeschäftigte Arbeitnehmer in der Zeitarbeit im Ergebnis wesentlich geringer sein, als dies nach der EuGH-Entscheidung befürchtet wurde.