Kinderbetreuung – (k)ein Argument für begehrte Arbeitsschichten
Catharina Scharrer
Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz ist zu Recht ein Thema, welches aus der Gesellschaft und den Personalabteilungen nicht wegzudenken ist. Gleichwohl bietet es auch immer wieder Sprengstoff, wenn unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. So haben Mitarbeiter mit kleinen Kindern ein Interesse an einer Arbeitszeitgestaltung, die die Kinderbetreuung ermöglicht. Arbeitgeber müssen jedoch einerseits betriebliche Notwendigkeiten, andererseits auch ihre anderen Mitarbeiter berücksichtigen, die ebenfalls Interesse an einer fairen Arbeitszeitgestaltung haben. Gerade in Schichtarbeitssystemen kann dies zu erheblichen Spannungen führen. Eine derartige Konstellation hatte das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Urteil vom 13. Juli 2023 (Az.: 5 Sa 139/22) zu entscheiden – und verneinte letztlich den Antrag einer Klägerin auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit, die eine Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie von Samstagsarbeit zur Kinderbetreuung vorsah.
Worum ging es? Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter von Zwillingen und arbeitet als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale der Beklagten mit einer vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Die Mitarbeiter der Beklagten arbeiten in einem rollierenden Drei-Schicht-System. Nach Geburt der Zwillinge beantragte die Klägerin – neben einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden – nur noch an den Wochentagen Montag bis Freitag (also nicht samstags) und nur noch zwischen 07.40 Uhr und 16.40 Uhr eingesetzt zu werden. Zur Begründung führte sie ihre Betreuungspflichten als alleinerziehende Mutter und die Öffnungszeiten der Kindertagesstätte an. Die Beklagte genehmigte die beantragte Arbeitszeitverkürzung, lehnte jedoch die begehrte Arbeitszeitverteilung mit der Begründung ab, dass diese mit ihrem Organisationskonzept nicht vereinbar sei und auch die übrigen bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiterinnen zu betreuende Kinder hätten.
Das LAG entschied, dass der Klägerin aus § 8 Abs. 4 TzBfG kein Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur beantragten Arbeitszeitverteilung zusteht. Der begehrten Verteilung stünden betriebliche Gründe entgegen, denn der ausschließliche Einsatz zu den von der Klägerin gewünschten Zeiten zwinge die Beklagte, den Einsatz aller Mitarbeiter von Grund auf neu zu organisieren und auch die Schichtzeiten zu ändern. Auf die persönlichen Belange der Klägerin komme es im Rahmen des § 8 Abs. 4 TzBfG nicht an. Eine Interessenabwägung sehe das Gesetz nicht vor.
Bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit und der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO müsse der Arbeitgeber jedoch nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten von Arbeitnehmern Rücksicht nehmen, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer nicht entgegenstehen. Die Sorge für ein Kind verstärke die Rechtsposition eines Arbeitnehmers. Gleichzeitig seien aber auch die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers sowie die Interessen aller betroffenen Mitarbeiter zu berücksichtigen. Der geforderte ausschließliche Einsatz der Klägerin in der Mittelschicht führe zwangsläufig zu einer grundlegenden Änderung des Wechselschichtsystems sowie zu einer verstärkten Heranziehung der übrigen Mitarbeiterinnen in der Früh- und Spätschicht sowie an Samstagen. Zudem hätten laut LAG auch diese Mitarbeiterinnen ein schutzwürdiges Interesse daran, Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang zu bringen. Weiter führt das LAG aus, dass der Arbeitgeber sich im Rahmen der Interessenabwägung auf die ihm nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken könne, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen.
Das Urteil des LAG ist konsequent. Erfreulich ist, dass das LAG keine überspannten Anforderungen an Arbeitgeber hinsichtlich ihnen bekannter Umstände in der Interessenabwägung stellt. Unabhängig von der Entscheidung des LAG können sich familienfreundliche Unterstützungsangebote für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung auszahlen. Gegen die Entscheidung ist derzeit noch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG anhängig (Az.: 5 AZN 629/23). Sollte das BAG der Beschwerde stattgeben und sich in der Sache mit dem Fall auseinandersetzen, erfahren sie davon natürlich in unserem Newsletter.