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„Kiffen“ am Arbeitsplatz? – Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung im Arbeitsrecht


Ausgabe Juli 2024
Geschrieben von

Judith Herzig

Die Legalisierung von Cannabis war und ist in den Medien seit einiger Zeit sehr präsent. Seit dem 1. April 2024 sind der Besitz und der Konsum von Cannabis (in begrenztem Umfang) legal. Über die Auswirkungen wird allseits diskutiert, aber was bedeutet die Legalisierung für das Arbeitsrecht? Dürfen Arbeitnehmer nun „bekifft“ zur Arbeit kommen oder sogar am Arbeitsplatz Cannabis konsumieren? Wie wir Juristen zu sagen pflegen: „Es kommt darauf an.“ 

Grundsätzlich ist der Cannabiskonsum am Arbeitsplatz (mit einigen Ausnahmen) nicht gesetzlich verboten. Allerdings müssen Arbeitnehmer natürlich in der Lage sein, ihre vertragliche Arbeitsleistung zu erbringen. Insbesondere dürfen sie bei der Arbeit keine anderen Personen gefährden. Führt der Cannabiskonsum daher zu einer Einschränkung der Arbeitsleistung, zu Fehlern oder sogar Schäden bei Verrichtung der Arbeit, sind arbeitsvertragliche Pflichten verletzt. Hier erkennt man die Parallele zum Alkoholkonsum am Arbeitsplatz.

Zudem kann eine Arbeitstätigkeit unter Einfluss von Cannabis auch unfallversicherungsrechtliche Konsequenzen haben. Nach § 15 DGUVV 1 dürfen sich Arbeitnehmer in arbeitsschutzrechtlicher Hinsicht durch den Konsum von Cannabis nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Fällt dem Arbeitgeber die fehlende Tauglichkeit des Arbeitnehmers zur Ausführung der Tätigkeit infolge Cannabiskonsums auf, darf er den Arbeitnehmer nicht mit der Tätigkeit beschäftigen. Neben dem Entfallen des Versicherungsschutzes drohen Bußgelder, auch für den Arbeitgeber.

Um Klarheit für die Mitarbeiter und den Arbeitgeber zu schaffen, kann es helfen, ein generelles Verbot, Cannabis in den Betrieb zu bringen oder dort zu konsumieren, per Direktionsrecht anzuordnen oder – wenn ein Betriebsrat vorhanden ist – in einer Betriebsvereinbarung festzulegen. In einer Betriebsvereinbarung kann zudem geregelt werden, dass in begründeten Fällen Tests durchgeführt oder ärztliche Untersuchungen angeordnet werden können. Besteht schon eine Betriebsvereinbarung zum Alkohol- und Drogenkonsum, ist diese ggf. anzupassen. 

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen ein entsprechendes Verbot oder besteht zwar keine betriebliche Regelung, aber der Arbeitnehmer ist aufgrund Cannabiskonsums nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, stehen die bekannten arbeitsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung: In der Regel dürfte zunächst eine Abmahnung auszusprechen sein. Bei weiteren Verstößen nach einschlägiger Abmahnung kann eine ordentliche Kündigung angezeigt sein. Dagegen dürfte eine außerordentliche Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Jede Reaktion durch den Arbeitgeber stellt diesen vor die Herausforderung, den Cannabiskonsum nachzuweisen. Grundsätzlich können Tests nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers erfolgen, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu achten ist. Hiervon kann eine Ausnahme nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu machen sein, insbesondere bei erheblichem Gefahrenpotential der Arbeit oder besonderem Sicherheitsbedürfnis am Arbeitsplatz. Bei besonders gefährlichen Tätigkeiten sind sogar verdachtsunabhängige Kontrollen denkbar. Unabhängig von der Durchführung von Tests besteht bei Cannabis das Problem, dass die per Test ermittelten Werte nicht ohne Weiteres eine verlässliche Aussage über die aktuelle Arbeitsunfähigkeit ermöglichen. In jedem Fall sollten Arbeitgeber daher, wenn sie aufgrund des Verhaltens oder der körperlichen Verfassung eines Mitarbeiters davon ausgehen, dass er Drogen konsumiert hat, Zeugen heranziehen und ihre Beobachtungen schriftlich festhalten, um in einer möglichen späteren Auseinandersetzung auf Beweismittel zurückgreifen zu können.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der gelegentliche Konsum von Suchtverhalten zu unterscheiden ist. Lässt sich der Cannabiskonsum eines Arbeitnehmers als Suchtverhalten identifizieren, wäre statt einer verhaltensbedingten Kündigung eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen – mit all den damit verbundenen Hürden. Um nicht an diesen Punkt zu gelangen, aber auch, um im Fall der Fälle eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen zu können, sollten Arbeitgeber in Betracht ziehen, Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere ihre Mitarbeiter über die mit legalen und illegalen Drogen verbundenen Risiken aufzuklären und zu informieren sowie Beratungsangebote zu schaffen.