Kein Rettungsanker für Zielboni bei unterlassener Zielvereinbarung?
Dr. Matthias Lodemann
Aus der betrieblichen Praxis sind sie nicht wegzudenken: Bonuszahlungen, deren Höhe an die Erreichung bestimmter Ziele geknüpft ist (sog. Zielboni). Dabei kann es sich um Unternehmensziele wie Umsatz oder Gewinn handeln, aber auch um persönliche Ziele. Probleme können hier insbesondere auf zwei Ebenen entstehen: bezüglich der Frage, welche Ziele überhaupt vereinbart werden, sowie – nach Ablauf der Bonusperiode – bei der Frage, ob und in welchem Umfang diese Ziele erreicht worden sind.
Mit der erstgenannten Thematik hatte sich jüngst wieder einmal das BAG (Urt. v. 03.07.2024 – 10 AZR 171/23) auseinanderzusetzen. Anknüpfungspunkt war die Frage, wie die Ziele im dortigen Sachverhalt festgelegt werden sollten. Dies kann – was das BAG schon oftmals entschieden hat – durch Einigung oder durch einseitige Festlegung des Arbeitgebers erfolgen, wobei der Arbeitgeber bei der einseitigen Festlegung billiges Ermessen zu beachten hat (§ 315 BGB). Nun mag aus Sicht des Betriebsklimas die erste Variante vorzugswürdig sein, doch birgt sie ein entscheidendes Problem: Was soll gelten, wenn eine Einigung über die Ziele nicht zustande kommt? Zusätzliche Würze erhält das Problem dadurch, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BAG in Fällen, in denen keine Ziele vereinbart werden, den Mitarbeitern grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes der volle Zielbonus zusteht (st. Rspr. seit BAG, Urt. v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07). Dass das BAG jedenfalls ein Mitverschulden anerkennt, wenn die Nicht-Vereinbarung von Zielen ebenfalls vom Mitarbeiter zu vertreten ist, ist meist nur ein schwacher Trost. Aufgrund der Initiativlast des Arbeitgebers wird regelmäßig nur ein Mitverschulden von ca. 10 % anerkannt.
Lösungen wurden daher in der Praxis über die Vertragsgestaltung gesucht, so auch im hier vorliegenden Fall. Hier wurde zwar geregelt, dass die Ziele zwischen den Parteien vereinbart werden. Für den Fall, dass eine solche Vereinbarung nicht erfolgte, sollte der Arbeitgeber jedoch als Auffanglösung berechtigt sein, die Ziele einseitig vorzugeben. Obwohl beide Varianten jeweils für sich genommen hätten vereinbart werden können, überzeugte die Kombination aus beiden das BAG (wie auch schon das LAG Hamburg in der Vorinstanz) nicht. Eine solche Klausel benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen. Da keine weiteren Voraussetzungen genannt waren, unter denen die Befugnis zur (einseitigen) Festlegung von Zielen auf den Arbeitgeber übergehen sollte, könne dieser die an sich vorrangige Pflicht zur Verhandlung schlicht „aussitzen“. Hierdurch würde auch ein unangemessener Verhandlungsdruck auf den Mitarbeiter entstehen.
Auch wenn dies inhaltlich wenig überzeugt, da man auch von vornherein eine einseitige Zielvorgabe hätte regeln können, wird man diese neue Rechtsprechung für die Praxis zu beachten haben. Nicht entschieden wurde, ob die zweite weithin vertretene und auch von uns für überzeugend gehaltene Klausel-Variante, bei Nicht-Festlegung von Zielen die Bonushöhe nach Ablauf der Bonusperiode nach billigem Ermessen festzulegen, unzulässig sein soll. Die diesbezüglichen Ausführungen des BAG sind jedoch wohl übertragbar.
Konkret bedeutet dies, dass man nun – mindestens – weitere Kriterien für Auffanglösungen jeder Art mit aufnehmen muss. Allein mit einer zeitlichen Komponente (die im vom BAG entschiedenen Fall bereits fehlte) dürfte es aber nicht getan sein. Vielmehr wird man auch inhaltlich sicherstellen müssen, dass der Arbeitgeber die Verhandlungen nicht schlicht „aussitzen“ kann. Ob und unter welchen Voraussetzungen das BAG dies akzeptieren wird, bleibt abzuwarten. Alternativ bietet es sich an, die Ziele von vornherein einseitig durch den Arbeitgeber festlegen zu lassen, was dann auch aber die gesamte Verantwortung beim Arbeitgeber verortet, sodass die Nicht-Vorgabe von Zielen zum vollen Bonusanspruch führt.