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Gleichbehandlungsgrundsatz bei Gehaltserhöhungen


Ausgabe April 2024
Geschrieben von

Dr. Michael Kuhnke

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist wahrlich kein neues Phänomen und der Arbeitgeber sollte diesen letztlich bei allen Entscheidungen, die nicht ausschließlich einen individuellen Sachverhalt betreffen, im Hinterkopf behalten. Eine vor kurzem veröffentlichte und im Zusammenhang mit allgemeinen Gehaltserhöhungen stehende Entscheidung des LAG Düsseldorf (Urt. v. 20.4.2023 – 13 Sa 535/22) birgt nun allerdings einige sehr unerfreuliche Überraschungen zu Lasten des Arbeitgebers und stellt bislang allgemein anerkannte rechtliche Grundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Frage.

Bislang galten (grob vereinfacht und abgekürzt) folgende Prinzipien als gesichert:

  • Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG, Urt. v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09).
  • Liegt im Falle von allgemeinen Gehaltserhöhungen eine objektive Ungleichbehandlung eines Arbeitnehmers im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern vor, ist der Arbeitgeber gehalten, die von ihm bei seiner Entscheidung zugrunde gelegten Differenzierungsgesichtspunkte offenzulegen (so z.B. BAG, Urt. v. 21.5.2014 – 4 AZR 50/13).
  • Kann der Arbeitgeber dies nicht und/oder kann der Arbeitnehmer darlegen, dass er die Voraussetzungen der vom Arbeitgeber zugrunde gelegten Regelsätze tatsächlich erfüllt, liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Der Arbeitnehmer kann dann verlangen, nach der vom Arbeitgeber für die betroffene Gruppe aufgestellten Regeln behandelt zu werden. Hat der Arbeitgeber die Entgelte in unterschiedlichem Maße angehoben, kann der Arbeitnehmer eine Entgelterhöhung um einen gewichteten Durchschnitts-, nicht aber den Höchstwert beanspruchen (BAG, Urt. v. 23.02.2011 – 5 AZR 84/10, so zuletzt auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 29.01.2021 – 1 Sa 130/19).

Zwei der vorgenannten Punkte wurden nun vom LAG Düsseldorf grundlegend anders gehandhabt. Der Arbeitgeber hatte im entschiedenen Fall ein bestimmtes Budget für Gehaltserhöhungen zur Verfügung gestellt und den jeweiligen Vorgesetzten die Entscheidung im Einzelfall überlassen, wie hoch die individuellen Erhöhungen ausfallen, ohne hierzu Kriterien vorzugeben.

Das LAG Düsseldorf nahm allein aufgrund des Umstands, dass den Vorgesetzten keine konkreten Vorgaben gemacht wurden, eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes an. Das Gericht hierzu wörtlich: „Das steht einer Leistung nach Gutdünken gleich. Es schließt zwar nicht aus, dass der einzelne Vorgesetzte nach einem abstrakten Prinzip vorgeht, möglicherweise sogar einem solchen, das dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Allein die fehlende Vorgabe und die damit verbundene Zufälligkeit und Unterschiedlichkeit im Handeln der Vorgesetzten führt jedoch zu einer Leistung nach Gutdünken.“ Es komme daher gar nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliege, hierfür genüge der Anschein aufgrund des Fehlens von Kriterien. Schon dies ist kaum nachvollziehbar.

Doch damit nicht genug: Das Gericht hat ferner entschieden, dass dem Arbeitnehmer in dem Fall ein Anspruch auf Gehaltserhöhung um den höchsten (!) Prozentsatz aller gewährten Gehaltserhöhungen zusteht.

Eine nähere Begründung, warum entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG entschieden wurde, findet sich leider nicht. Daher bleibt zu hoffen, dass das Urteil keinen Bestand haben wird und eine Korrektur durch das BAG erfolgt. Gleichwohl könnte die Entscheidung Nachahmer auf den Plan rufen. Arbeitgebern ist daher dringend anzuraten, im Falle von Gehaltserhöhungen, die nicht gleichmäßig bei allen Mitarbeitern umgesetzt werden, den jeweiligen Entscheidungsträgern abstrakte Kriterien und Leitlinien an die Hand zu geben, die bei der Entscheidung in den Einzelfällen zu berücksichtigen sind.