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Entgelttransparenzrichtline: Stellenausschreibungen zukünftig nur noch unter Angabe des Einstiegsgehalts?


Ausgabe April 2024
Geschrieben von

Hannah Lüttge

Im Juni 2023 ist die europäische Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) in Kraft getreten. Bis spätestens zum 7. Juni 2026 muss der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Eine abschließende Bewertung der konkreten Pflichten, die auf Arbeitgeber zukommen, wird also erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland möglich sein. Bereits jetzt lohnt es aber, sich einen Überblick über die wesentlichen Regelungen der Richtlinie zu verschaffen, um frühzeitig (zukünftigen) Handlungsbedarf einschätzen zu können.

Nach Art. 5 der Richtlinie werden bereits Stellenbewerber zukünftig einen Anspruch darauf haben, Auskunft über das vorgesehene Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne sowie auch über ggf. anwendbare Tarifverträge zu erhalten. Wie diese Informationen konkret zu erteilen sein werden, ist noch ungewiss. Nicht auszuschließen ist, dass diese Informationen zukünftig in den jeweiligen Stellenausschreibungen direkt mitveröffentlicht werden müssen.

Ferner sieht Art. 6 der Richtlinie vor, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern (anlasslos) Informationen über die bei ihnen maßgeblichen Kriterien für die Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhe sowie der Entgeltentwicklung zur Verfügung zu stellen haben (für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern sind Ausnahmen möglich). Ferner sollen Arbeitnehmer auf Anfrage Auskünfte über ihre individuelle sowie die durchschnittliche Entgelthöhe verlangen können, und zwar aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppe von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Auf dieses Auskunftsrecht müssen Arbeitgeber zukünftig einmal jährlich hinweisen. Im Übrigen dürfen Arbeitnehmer nicht mehr daran gehindert werden, ihr Entgelt untereinander offenzulegen – praktisch bedeutet dies, dass Geheimhaltungsklauseln hinsichtlich des Gehalts nicht mehr möglich sein werden.

Auf Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten kommen zudem auch neue Berichtspflichten zu: In regelmäßigen Abständen – je nach Unternehmensgröße jährlich oder alle drei Jahre – haben Arbeitgeber Informationen zu etwaigen geschlechtsspezifischen Lohngefällen zur Verfügung zu stellen, die sodann veröffentlich werden. Ergibt sich aus diesen Informationen ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von mindestens fünf Prozent und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, dieses auf Grundlage objektiver und geschlechtsneutraler Kriterien zu rechtfertigen oder binnen sechs Monaten ab der Berichterstattung zu korrigieren, ist mit der Arbeitnehmervertretung – sofern eine solche besteht – eine gemeinsame Entgeltbewertung vorzunehmen. Ziel dieser gemeinsamen Entgeltbewertung soll sein, Entgeltunterschiede festzustellen, zu korrigieren und für die Zukunft zu vermeiden.

Die Richtlinie sieht ferner Regelungen vor, die Arbeitnehmern die Durchsetzung etwaiger Ansprüche auf gleiches Entgelt erheblich erleichtern und über die bereits jetzt bestehenden Rechte nach dem AGG hinausgehen. Die Richtlinie bestimmt eigene Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche und sieht dabei eine weitreichende Beweislastumkehr vor, die grundsätzlich schon dann greifen soll, wenn der Arbeitgeber gegen die o.g. Pflichten – bspw. auch betreffend Auskunftserteilung und Berichterstattung – verstößt. Bei derartigen Verstößen müssen Arbeitgeber schließlich mit der Verhängung von Sanktionen, wie etwa Geldbußen, rechnen.

Die Umsetzung der Richtlinie wird – unabhängig davon, wie sie genau in deutsches Recht erfolgen wird – die Verpflichtungen in Bezug auf die Entgeltgleichheit deutlich verschärfen. Auch wenn sich eine Umsetzung in deutsches Recht derzeit noch nicht abzeichnet, ist es eine gute Idee, als Arbeitgeber bereits jetzt die derzeitige Vergütungspraxis unter die Lupe zu nehmen sowie etwaige Handlungsbedarfe im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Lohndifferenzen ausfindig zu machen und anzugehen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, in denen Betriebsräte gebildet sind und Anpassungen der Entgeltstrukturen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates tangieren.