Entgeltgleichheit von Männern und Frauen – eine Pressemitteilung des BAG sorgt für Aufregung
Dr. Nina Tholuck
Dürfen Gehälter etwa nicht mehr frei verhandelt werden? Diese Frage stellen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer seit im Februar dieses Jahres eine Entscheidung des BAG zum Anspruch auf Entgeltgleichheit – bislang nur als Pressemitteilung – veröffentlicht wurde.
Worum ging es in der Entscheidung? Die Klägerin in dem zu entscheidenden Fall hatte erfahren, dass ein männlicher Kollege, der die gleiche Tätigkeit wie sie verrichtete und ungefähr zeitgleich mit ihr eingestellt worden war, eine höhere Vergütung erhielt. Sie machte daraufhin Vergütungsansprüche in Höhe der Differenz geltend und bekam Recht. Laut dem BAG habe die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, da sie ihr – obwohl die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten – ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten habe, begründe – so das BAG – die Vermutung nach § 22 des Allgemeinen Gleichbehandungsgesetzes, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten sei es dann nicht gelungen diese Vermutung zu widerlgen. Die Begründung der Beklagten, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser schlicht „besser verhandelt“ habe bzw. einer höher vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt war, könne diese Vermutung nicht widerlegen.
Der erste Teil der Begründung ist nicht weiter überraschend. Bereits im Jahre 2021 hat das BAG in einer Grundsatzentscheidung (BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 488/19) festgehalten, dass eine Beschäftigte (bzw. ein Beschäftigter) zur Begründung ihres Anspruches nur darlegen müsse, dass (i) sie ein niedrigeres Entgelt erhalte als die zum Vergleich herangezogenen Arbeitnehmer des anderen Geschlechtes und (ii), dass sie eine gleiche oder vergleichbare Arbeit verrichte. Weitere Indizien für die Ungleichbehandlung müssten nicht dargelegt werden. Es sei dann am Arbeitgeber die Vermutung zu widerlegen und aufzuzeigen, dass die festgestellte unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun haben, zu erklären ist.
Neu ist allerdings die Feststellung, dass das Verhandlungsgeschick eines männlichen Kollegen kein objektives Kriterium ist, das die Vermutung der Diskriminierung widerlegen kann. Diese Aussage wirft unweigerlich die Frage auf, wie restriktiv Arbeitgeber in Zukunft Gehaltsverhandlungen führen müssen und auf welche Weise sich Arbeitgeber gegen den Vorwurf der Diskriminierung verteidigen können – wenn schon nicht mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Entschieden hat das BAG bislang lediglich – und zwar in dem Urteil aus dem Jahr 2021 – dass das Dienstalter als objektives Differenzierungskriterium herangezogen werden kann.
Insofern bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsgründe Licht ins Dunkel bringen, sodass Arbeitgeber für zukünftige Gehaltsverhandlungen ausreichend Handlungsrichtlinien ableiten können. Das Fazit, dass in Zukunft „allen das Gleiche gezahlt werden muss “, muss man – zumindest zum jetztigen Zeitpunkt – sicherlich noch nicht ziehen. Fest steht aber, dass jegliche Unterschiede in der Vergütung in Zukunft gut begründet werden müssen. Welche Kriterien dabei herangezogen werden dürfen, ist noch klärungsbedürftig.