Einseitige Versetzungen ins Ausland
Catharina Scharrer
Die Arbeitswelt wird immer dynamischer, internationaler und vernetzter. Die Errichtung internationaler Standorte und länderübergreifender Konzernstrukturen kann dabei auch Auswirkungen auf den Arbeitsort von Arbeitnehmern haben. § 106 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) erlaubt es Arbeitgebern, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen einseitig zu bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Kollektivvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind und der Arbeitgeber die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt.
Sehen arbeitsvertragliche Regelungen also vor, dass der Einsatzort eine bestimmte Stadt oder Region innerhalb Deutschlands sein soll, kann darin eine vertragliche Beschränkung des Weisungsrechts liegen. Jedoch gelten häufig ergänzende Versetzungsvorbehalte, die eine nachträgliche örtliche Versetzung ermöglichen.
In der bisherigen Rechtsprechung des BAG ging es meist um Versetzungen innerhalb Deutschlands. Das BAG hat sich nun allerdings in einer Entscheidung aus November 2022 (Urt. v. 30.11.2022 – 5 AZR 336/21) mit einer Versetzung ins Ausland auseinandergesetzt und entschieden, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auch anweisen kann, an einem anderen Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten. Grundlage dafür sei das arbeitsvertragliche Weisungsrecht, das grundsätzlich nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzt sei. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten laut BAG nur, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden sei.
Dem Urteil lag die Revision eines Piloten zugrunde, der bei der Beklagten, einer Fluggesellschaft, beschäftigt war. Der Pilot war zuletzt am Flughafen Nürnberg stationiert, sollte nun aber nach Bologna in Italien versetzt werden. Hintergrund für die Weisung war die Entscheidung der Fluggesellschaft, die Homebase am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben. Der Arbeitsvertrag des Piloten sah ausdrücklich vor, dass er auch an anderen Orten stationiert werden könne und sich die Vergütung dann nach dem dort geltenden System richtet. Der Pilot hielt die Versetzung nach Bologna für unwirksam.
Dies sah das BAG jedoch anders: Die Versetzung des Klägers an die Homebase der Beklagten in Bologna sei wirksam. Fehle es an einer abschließenden Festlegung des Arbeitsorts, könne der Arbeitgeber diesen grundsätzlich aufgrund seines Weisungsrechts bestimmen. Dabei komme es auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts nicht an. Sofern die möglichen Arbeitsorte durch Arbeitsvertrag, Kollektivvereinbarung oder Gesetz nicht auf das Inland begrenzt seien, könne der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer also grundsätzlich auch einen Arbeitsplatz im Ausland zuweisen.
Fehlt es an solchen Einschränkungen des Weisungsrechts dem Grunde nach („Ob“), unterliege laut BAG die konkrete Ausübung des Weisungsrechts („Wie“) auf einer zweiten Stufe der Ausübungskontrolle und müsse billigem Ermessen entsprechen. Laut BAG hielt die Versetzung des Piloten auch dieser Ausübungskontrolle stand. Zur Begründung führte es aus, dass die Versetzung zwar mit einem Wohnortswechsel einhergehe, sich das Entgelt aufgrund des dort geltenden Vergütungssystems verringere und zusätzliche Miet- und Fahrtkosten entstünden. Allerdings sei die Stationierungsmöglichkeit in Nürnberg entfallen. Offene Stellen an einem anderen inländischen Flughafen habe es nicht gegeben. Der Kläger könne weiterbeschäftigt werden und eine Änderung seines Vertrages sei nicht notwendig.
Mit dieser Entscheidung erweitert das BAG die räumliche Reichweite des Versetzungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO und damit die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers – zumindest in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis – wie hier das Arbeitsverhältnis des Piloten – einen internnationalen Bezug hat. In vielen Fällen dürfte eine Versetzung ins Ausland aber an den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers scheitern.