Die virtuelle Mitarbeiterbeteiligung
Dr. Matthias Lodemann
Nicht selten besteht der Wunsch auf Seiten des Unternehmens, die Mitarbeiter unmittelbar nicht nur am unternehmerischen Erfolg, sondern auch an einer Wertsteigerung des Unternehmens zu beteiligen. Die Gründe sind vielfältig: Neben der offensichtlichen Incentivierungsfunktion können auch Cashflow-Gründe eine Rolle spielen. Im krisennahen Bereich ist auch denkbar, dass Mitarbeiter (zeitweise) auf Gehalt verzichten und im Gegenzug (virtuell) am Unternehmen beteiligt werden. Nicht zuletzt darf in Start-Ups eine virtuelle Mitarbeiterbeteiligung fast schon als Standard bezeichnet werden.
Weitere Motivation ist dabei oftmals auch die (längerfristige) Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen. Die nächsten Fragen sind damit vorgezeichnet: Ist es zulässig, die (vollständige) Auszahlung an ein zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehendes bzw. ungekündigtes Arbeitsverhältnis zu knüpfen („Vesting“, „Cliff“)? Kann oder muss hierbei nach unterschiedlichen Beendigungsgründen differenziert werden (sog. „Good Leaver“ und „Bad Leaver“)?
Eine jedenfalls für den Augenblick noch eindeutige Antwort gibt es hier nur, wenn die virtuelle Beteiligung sich als schuldrechtliche bzw. wirtschaftliche Nachbildung von echten Aktien bzw. Aktienoptionen darstellt. In diesem Fall kann – so die bisherige Rechtsprechung – bspw. eine Mindest-Bindungsdauer verlangt werden (BAG, Urt. v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07; LAG München, Urt. v. 17.4.2018 – 7 Sa 752/17). Grund hierfür sei die mit Aktienoptionen generell einhergehende Volatilität, welche eine geringere Schutzwürdigkeit des Mitarbeiters begründe.
Schwieriger ist die Frage, wenn – etwa aufgrund der Rechtsform – eine Nachbildung echter Aktien nicht möglich ist und der Wert des Unternehmens und damit der Mitarbeiterbeteiligung sich nach anderen Maßstäben bemisst. Die vorgenannte Rechtsprechung ist hier nicht unmittelbar anwendbar. Zudem droht ein Konflikt mit der sog. Stichtagsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Zahlungen, die zumindest auch als Entgelt für Arbeitsleistung zu verstehen sind (also nicht aussschließlich die Betriebstreue belohnen, wie z. B. Treueprämien oder Retention Boni), nicht vom Bestand eines (ungekündigten) Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig sein dürfen (BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12).
Es lässt sich noch nicht prognostizieren, wie die Rechtsprechung virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen in diesem Zusammenhang bewerten wird. Zur Risikovermeidung kann es jedenfalls angezeigt sein, zwischen unterschiedlichen Beendigungstatbeständen zu differenzieren, wie es etwa aus der Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fortbildungskosten bekannt ist (vgl. hierzu unseren Beitrag in diesem Neswletter). Demzufolge könnten bspw. für verhaltensbedingte Kündigungen strengere Maßstäbe angelegt werden als für betriebsbedingte Kündigungen oder personenbedingte Eigenkündigungen. Auch insoweit steht die Klärung durch die Rechtsprechung aber noch aus.
Ungemacht droht schließlich auch noch von anderer Stelle, nämlich bezüglich der Frage, ob der Ertrag aus einer virtuellen Mitarbeiterbeteiligung auch im Rahmen der Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu berücksichtigen ist, was diese in ungeahnte Höhen treiben kann. Gestalterischer Spielraum besteht hier nicht, da die Mindest-Berechnung gesetzlich vorgeschrieben ist. Versucht man, dies anzupassen, droht die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots mit der Folge, dass ein Mitarbeiter sich entscheiden kann, das Wettbewerbsverbot gänzlich entfallen zu lassen oder aber sich daran zu halten und die vereinbarte Entschädigung zu erhalten.
Einige Klarheit brachte hier eine jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu einer (echten) Mitarbeiterbeteiligung: Im dort entschiedenen Fall war diese durch die Muttergesellschaft des Arbeitgebers zugesagt worden und zwar unabhängig vom Austauschcharakter des Arbeitsvertrags (BAG, Urt. v. 25.8.2022 – 8 AZR 453/21). Hier lehnte das Bundesarbeitsgericht es ab, die Mitarbeiterbeteiligung erhöhend im Rahmen der Karenzentschädigung zu berücksichtigen. Anders wäre dies aber, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent eine (Mit-)Verpflichtung eingegangen wäre. Dann wäre die Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der Berechnung der Karenzentschädigung anzusetzen.
Hier ist somit Vorsicht geboten, zumal die Instanzenrechtsprechung dies in der Vergangenheit unterschiedlich gesehen hat (gegen eine Berücksichtigung LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.01.2012 – 22 Sa 77/11; für eine Berücksichtigung LAG Hessen, 31.05.2017 – 18 Sa 768/16). Auch die Frage, wann nach dem Bundesarbeitsgericht eine (Mit-)Verpflichtung des Arbeitgebers vorliegt (konkludent genügt!), ist noch ungeklärt. Die Kombination aus (virtueller) Mitarbeiterbeteiligung einerseits und nachvertraglichem Wettbewerbsverbot andererseits ist also nur unter Anwendung ganz besonderer Sorgfalt und in Kenntnis der potenziellen finanziellen Risiken zu vereinbaren.