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BGH-Urteil zur Untreue wegen zu hoher Betriebsratsvergütung


Ausgabe Juli 2023
Geschrieben von

Dr. Maximilian Kulenkampff

Anfang dieses Jahres hat der BGH Freisprüche gegen (ehemalige) VW-Vorstandsmitglieder wegen der Strafbarkeit der Untreue aufgehoben (Urt. v. 10.1.2023 – 6 StR 133/22). Die angeklagten Vorstände und Personalchefs hatten mehreren Betriebsratsmitgliedern, die über einen Hauptschulabschluss und bestenfalls eine Berufsausbildung verfügten, 5-stellige Monatsgehälter und jährliche Bonuszahlungen in 6-stelliger Höhe gewährt. Solche Vergütungen waren sonst dem Top-Managementkreis vorbehalten.

Das LG Braunschweig hatte die verantwortlichen VW-Vorstände noch von dem Vorwurf der Untreue freigesprochen, weil diese angesichts mehrerer Rechtsgutachten, welche die Vergütung für zulässig befunden haben, in einem vorsatzausschließenden Irrtum befunden hätten. Dem ist der BGH nicht gefolgt. Die Gewährung einer Vergütung, die Betriebsräte entgegen § 78 S. 2 BetrvG wegen ihres Betriebsratsamtes bevorzugt, stelle – so der BGH – tatbestandlich eine Untreue dar. Gegen dieses Bevorzugungsverbot werde verstoßen, wenn die Vergütung von Betriebsräten über die Mindestvergütung gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG hinausgehe. § 37 Abs. 4 BetrVG sieht vor, dass Betriebsräte mindestens die Vergütung erhalten müssen, die vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher Entwicklung zusteht. Nach dieser Norm kommt es also nicht auf das Betriebsratsmitglied selbst, sondern auf mit diesem vergleichbare Arbeitnehmer im Zeitpunkt der ersten Wahl zum Betriebsrat an. Gegen diesen Grundsatz hat laut dem BGH die Vergütung der VW-Betriebsräte verstoßen. Insbesondere hätte man nicht die individuellen Ausnahmekarrieren der Betriebsräte und deren – während der Betriebsratsarbeit erworbenen – Zusatzqualifikationen (insbesondere Management Assessment Center) berücksichtigen dürfen, sondern hätte auf vergleichbare Arbeitnehmer abstellen müssen. Auch die seinerzeitigen Rechtsgutachten konnten den Angeklagten nicht helfen. Nach der Auffassung des entscheidenen Senates sei es zwar möglich, dass sich die Angeklagten in einem Rechtsirrtum befunden hätten. Ein solcher Rechtsirrtum sei allerdings nur beachtlich, wenn er unvermeidbar war. An der Unvermeidbarkeit bestünden aber erhebliche Zweifel, wenn – das ist eine bezeichnende Formulierung – man sich auf „rechtlichen Flankenschutz“ garantierende Gutachten verlasse.

Wer sich zuletzt mit der Rechtsprechung des BAG zu diesem Thema beschäftigt hat, mag sich jetzt fragen, ob hier nicht ein Widerspruch vorliegt. Die Vergütung eines Betriebsratsmitglieds muss sich zwar auch nach der Rechtsprechung des BAG  grundsätzlich nach der betriebsüblichen Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer gemäß § 37 Abs 4 BetrVG richten. Allerding erkennt das BAG daneben auch höhere Vergütungen an, sofern diese nicht auf einer Bevorzugung bzw. Benachteiligung wegen des Betriebsratsamtes beruhen (§ 78 S. 2 BetrVG), zum Beispiel weil eine „hypothetischen Karriere“ des Betriebsratsmitgliedes berücksichtigt worden ist. Dass der BGH wiederum die Möglichkeit der Berücksichtigung einer „hypothetischen Karriere“ grundsätzlich ausschließt, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Gesicherte Erkenntnis bleibt eigentlich nur, dass eine Erhöhung der Vergütung gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern jedenfalls nicht damit begründet werden kann, dass die Betriebsräte „mit Managern auf Augenhöhe“ agierten. Dies hätte aber auch dem BAG als Begründung für eine erhöhte Vergütung nicht gereicht.

Die BGH-Entscheidung hat wieder Bewegung in das Sorgenthema Betriebsratsvergütung gebracht. Nun hat auch die Bundesregierung eine Expertenkommission eingesetzt, um das Thema gesetzlich neu zu regeln. Bis dahin sollten die schon vom BAG zu § 37 Abs. 4 und § 78 S. 2 BetrVG entwickelten Grundsätze sorgfältig angewendet werden, um den Untreuevorwurf zu vermeiden. In komplexen Fällen ist eine rechtliche Absicherung unabdingbar. Auf reine „Gefälligkeitsgutachten“, die die eigene Vergütungspraxis „durchwinken“, sollte man sich hingegen nicht verlassen.